Semiramide Pressestimmen

Obwohl die sagenumwobene assyrische Königin Semiramis die Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts zu mehr als 100 Vertonungen inspiriert hat, hat sie im heutigen Opernrepertoire nicht mehr den Bekanntheitsgrad einer Cleopatra, Armida oder Alcina. Selbst die wohl bekannteste Fassung von Gioachino Rossini ist recht selten auf der Bühne zu erleben. Die italienische Mezzosopranistin Anna Bonitatibus hat sich vorgenommen, daran etwas zu ändern, und deshalb nicht nur eine Doppel-CD unter dem Titel Semiramide - La Signora regale mit Arien aus zahlreichen Vertonungen eingespielt, sondern tritt nun auch in der Philharmonie Essen in der beliebten Reihe Alte Musik bei Kerzenschein auf, um der Königin mit Arien von unterschiedlichen Komponisten ein Denkmal zu setzen. Dabei präsentiert sie nicht nur Arien von der CD, sondern auch weitere Vertonungen, beispielsweise von Christoph Willibald Gluck und Ferdinando Bertoni. Andere auf CD eingespielte Nummern lässt sie weg, um einen weiteren Anreiz zu schaffen, im Anschluss an das Konzert die CD zu erwerben. Und Bonitatibus präsentiert sich an diesem Abend nicht nur stimmlich als Königin. Bei jedem Auftritt erweckt sie die Figur in einer neuen aufwändigen Robe mit opulentem Goldschmuck zu neuem Leben und setzt sie herrschaftlich in Szene, auch wenn sie die einzelnen Arien nicht komplett auswendig vorträgt.

Der Ablauf des Programms folgt chronologisch dem Ablauf der Libretti, die für die jeweiligen Vertonungen Pate gestanden haben. Den Anfang macht Apostolo Zeno, der als Wiener Hofdichter Semiramis als junge Kriegerin in ihrem Heimatort Ascalona zeigt, wo sie noch zwischen dem sie umwerbenden assyrischen König Ninus und dessen Statthalter hin- und hergerissen ist. Antonio Caldara vertonte als erster diese Geschichte, die mit der Hochzeit zwischen Semiramis und König Ninus endet. Bonitatibus präsentiert aus dieser Oper die Gleichnis-Arie "Povera navicella", in der die Königin ihre schwankenden Gefühle mit einem Schiff vergleicht, das inmitten eines Sturmes auf hoher See den rechten Kurs nicht finden kann. Hervorzuheben ist hierbei, mit welcher Beweglichkeit Bonitatibus in flexiblen Koloraturen den Aufruhr im Herzen der Königin hörbar macht.

Im Anschluss setzt Bonitatibus das Programm mit Arien fort, die auf Metastasios Libretto Semiramide riconosciuta basieren, das bis zum Ende des 18. Jahrhunderts von fast 40 verschiedenen Komponisten vertont worden ist. Diese Geschichte zeigt Semiramide als verwitwete Herrscherin über Assyrien, wobei ihr bei Metastasio allerdings noch nicht unterstellt wird, ihren Mann Ninus ermordet zu haben. Die Herrschaft hat sie hier nur übernommen, da ihr Sohn zu weich ist, um sich als König über Assyrien behaupten zu können. Stattdessen gibt sich selbst als ihr Sohn aus. Im Mittelpunkt der Handlung steht ihre Beziehung zum indischen Prinzen Scitalce, der durch eine Intrige vor vielen Jahren glaubte, dass Semiramide ihn am ägyptischen Hof verraten habe, und deshalb versucht hatte, sie zu töten. Semiramide liebt Scitalce zwar immer noch, lässt aber dennoch in zwei Arien ihrer Wut darüber freien Lauf, dass Scitalce sie für eine Verräterin hält. Zunächst präsentiert Bonitatibus die große Arie "Fuggi dagl' occhi miei" aus Händels Pasticcio, das auf der gleichnamigen Oper von Leonardo Vinci basiert, und punktet mit grandiosen Läufen und spitz angesetzten Koloraturen, die den Zuhörer spüren lassen, dass man dieser Furie besser keine Widerworte geben sollte. Interessant ist der direkte Vergleich mit der Vertonung durch Christoph Willibald Gluck, der mit dem gleichen Text eine eher gebrochene und verletzte Frau zeichnet. Bonitatibus gelingt es, diesen Kontrast wunderbar herauszuarbeiten. Vor leidenschaftlichem Zorn sprüht auch die Arie "Tradita, sprezzata" aus Niccolò Jommellis Bearbeitung, die von Bonitatibus mit flexibler Stimmführung umgesetzt wird. In Paisiellos Arie "Serbo in seno il cor piagato" zeichnet sie dann wieder mit leisen düsteren Tönen eine zutiefst verletzte und gebrochene Frau. Doch als er zum tödlichen Schlag gegen Assur ausholt, trifft er seine Mutter, die zu seinem Schutz herbeigeeilt ist, und rächt damit den Tod seines Vaters. Bonitatibus präsentiert aus Sebastiano Nasolinis Oper La morte di Semiramide die Szene, in der Semiramide der Geist ihres verstorbenen Gatten erscheint. Diese Szene wurde 1815 in Neapel mit Versatzstücken aus Marcos Portugals Vertonung und Koloraturen von Gioachino Rossini ergänzt, weil hier niemand Geringeres als Isabella Colbran die Titelpartie übernahm. Bonitatibus erweist sich erneut als Meisterin stupender Koloraturen und begeistert das Publikum durch schnelle und flexible Läufe.

Die folgenden Vertonungen basieren auf der französischen Tragödie von Voltaire, die Gaetano Rossi in ein italienisches Libretto übertrug. In dieser Variante hat sich Semiramide nicht nur gemeinsam mit ihrem Geliebten Assur ihres Gatten durch Giftmord entledigt, sondern verliebt sich auch noch in ihren Sohn Ninia, den der König kurz vor seinem Tod hatte außer Landes schaffen lassen und der nun als erfolgreicher Heerführer unter dem Namen Arsace zurückkehrt. Als Arsace bereits einwilligen will, die Königin zu ehelichen, erhebt sich der Schatten des Königs aus dem Grab und fordert Arsace auf, den Mord am König zu rächen. Arsace erfährt, dass Semiramide seine Mutter ist, und weigert sich, sie zu töten. Doch als er zum tödlichen Schlag gegen Assur ausholt, trifft er seine Mutter, die zu seinem Schutz herbeigeeilt ist, und rächt damit den Tod seines Vaters. Bonitatibus präsentiert aus Sebastiano Nasolinis Oper La morte di Semiramide die Szene, in der Semiramide der Geist ihres verstorbenen Gatten erscheint. Diese Szene wurde 1815 in Neapel mit Versatzstücken aus Marcos Portugals Vertonung und Koloraturen von Gioachino Rossini ergänzt, weil hier niemand Geringeres als Isabella Colbran die Titelpartie übernahm. Bonitatibus erweist sich erneut als Meisterin stupender Koloraturen und begeistert das Publikum durch schnelle und flexible Läufe. Natürlich darf auch die berühmte Kavatine "Bel raggio lusinghier" aus Rossinis Oper nicht fehlen. Den Abschluss bildet eine Arie, die Manuel García für eine neu komponierte Oper in Mexico City auf Rossis Libretto schuf. Hier tritt Bonitatibus in einem bewegenden Gebet eindringlich in einen Dialog mit dem Bläser-Ensemble.

Das Collegium 1704 präsentiert sich unter der Leitung von Václav Luks als kongenialer Begleiter für Bonitatibus und punktet auch in den Instrumentalstücken mit filigranem Verve, so dass die Einleitung zu Caldaras Semiramide in Ascalona, die Auszüge aus Glucks Ballett-Suite Semiramis und Francesco Bianchis Sinfonia aus La vendetta di Nino sich wunderbar in den Programmablauf einfügen und nicht nur einen Pausenfüller bieten, damit Bonitatibus in die nächste Robe schlüpfen kann. Als Zugabe präsentiert Bonitatibus dann noch die bewegende Arie "Figlio diletto e caro" aus Giovan Battista Borghis La morte di Semiramide, bevor sie sich anschließend mit einem fulminanten "Vanne fido, e al mesto regno" aus Nicola Porporas Semiramide, regina dell' Assiria unter großem Applaus verabschiedet.

FAZIT

Anna Bonitatibus macht mit ihrem Programm neugierig auf die größtenteils in den Archiven schlummernden Opern über die assyrische Königin Semiramis.